Das Bildungshaus |
Das sogenannte "Schloß" und seine Geschichte Der in seinem Kern aus dem Mittelalter stammende einstige Pfarrhof wurde unter Pfarrer Lucas Knaffel (1659-1671) um ein Stockwerk erhöht. Pfarrer Franz Anton Mayer (1734-1754) errichtete 1739 an der Stelle des baufällig gewordenen alten Gebäudeteils als Westtrakt des Pfarrhofes einen Barockbau. Über dem Portal befindet sich sein Wappen. 1945 schenkte der letzte Besitzer der Herrschaft Großrußbach, der kinderlos gebliebene Baron Lothar von Pfisterer-Auhof, Schloß und Gut dem Erzbistum Wien, das hier 1953 ein Katholisches Volksbildungsheim errichtete. Die früheren Wirtschaftsgebäude wurden als Gästehaus mit Schlaf- und Vortragsräumen adaptiert. 1981 wurde das Bildungshaus mit einem Zubau erweitert. 1986 errichtete man einen großen Festsaal, der 250 Menschen Platz bietet. Zur Zeit können im Bildungshaus 100 Personen nächtigen, und mehrere Kurse gleichzeitig abgehalten werden. Neben religiösen, musischen, gesellschaftspolitischen und persönlichkeitsorientierten Kursen will das Haus ein Ort der Begegnung für alle Gruppen im Weinviertel und darüber hinaus sein.
Die Kapelle des Bildungshauses |
1998 wurde die Kapelle - ursprünglich der hl. Barbara geweiht - einer grundlegenden Neugestaltung unterzogen. Die Verantwortung dafür lag bei dem jungen Wiener Architekten Dipl.-Ing. Wolfgang Hochmeister. Die Kapelle war früher ein Speisesaal. Zwei der drei Gewölbefelder sind mit einem sehr plastischen, frühbarocken Stuck (um 1680) und leeren Spiegelgewölben geschmückt. In diesem Bereich versammeln sich die Gläubigen zum Gottesdienst. In bewußtem Kontrast dazu steht die sachlich nüchterne Neugestaltung der Kapelle. Auf einer langen, der Wand entlang verlaufenden Sitzbank nimmt die Gemeinde Platz und gruppiert sich so um Altar und Ambo. Der Priestersitz hebt sich mit einer Rücken- und zwei Armlehnen von der übrigen Sitzbank ab und ist dennoch in sie eingebunden. Somit bekommt das Augustinuswort "Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Christ" seine Ausformung. Die barocke Marienstatue (um 1700), die unter einem Gewölbebogen inmitten der Gläuben angebracht ist, soll uns Maria als Urbild und Vorbild der Kirche nahebringen. Der Altar steht auf zwölf Füßen. Diese stellen die zwölf Apostel dar, auf deren Zeugnis unser Glaube aufbaut. In die Altarplatte ist eine Reliquienkapsel eingelassen, in der sich Reliquien von vier Heiligen befinden, die mit der Region in Verbindung stehen. Der hl. Leopold (+ 1136) ist Landespatron. Der hl. Koloman (+ 1012) starb nicht unweit von hier in Stockerau als Märtyrer. Die hl. Notburga (+ 1313) gilt als Patronin des Bauernstandes und die sel. Märtyrerin Sr. Restituta Kafka (+ 1943) wurde im nahen Brünn geboren und ist damit ein Verbindungsglied zum benachbarten Tschechien. Im dritten Gewölbefeld, das räumlich von den beiden anderen getrennt ist, befindet sich in einer mit ockergelbem Stuckmarmor geschmückten Nische der Tabernakel. Beim Öffnen sieht man den Leib des Herrn in einer schlichten und doch sehr edel gestalteten Monstranz, die vom Licht der Innenbeleuchtung durchflutet wird. Somit ist der Tabernakel gleichsam ein Fenster, durch das man in die Ewigkeit blickt. Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des liturgischen Konzeptes ist der Weg, der in die Kapelle führt. Der Gang ist mit dem Versammlungsraum durch zwei große Öffnungen verbunden und gleichsam ein Wegraum. Er soll den Eintretenden auf die Begegnung mit dem Herrn einstimmen. Der Gang wurde also bewußt in die Neuordnung einbezogen und ist so zu einem Teil der Kapelle geworden, vergleichbar einem Seitenschiff. Somit begegnen wir einem einzigen Raum, der durch drei Bereiche gekennzeichnet ist: Zunächst ist es der Gang, der als Wegraum einstimmt, dann der Freiraum, in dem man sich zum Gottesdienst versammelt, und schließlich der Anbetungsraum, der zum Gebet vor dem Allerheiligsten einlädt. Drei Bereiche sind es mit ganz bestimmten Aufgaben, und doch ist es ein Raum, Bild auch für den einen Gott, der sich in drei Personen offenbart, und den wir anbetend feiern dürfen.
(Mag. Georg Henschling, ehem. Pfr. von GR)
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